Können Frösche eigentlich Handstand?
Bevor ich mich dieser elementaren Frage widme, möchte ich für mich klären: worum geht es in diesem Versuch mich in Überlegungen und Texten mit einem bestimmten Thema aus verschiedenen – mir jetzt noch nicht bewussten – Blickwinkeln auseinanderzusetzen?
Es geht um Glimmer. Und um die Fragen: was ist Glimmer? Wie bringe ich Glimmer in meine Welt? Und in meine Umwelt? Und warum möchte ich das?
Erst einmal der Versuch einer inhaltlichen Annährung im Sinne einer Begriffsklärung:
Glimmer und Trigger beschreiben emotionale Befindlichkeiten, wobei
- Trigger (traumatische) Erfahrungen beschreibt, die als seelisch und oder körperlich schmerzhaft und belastend empfunden werden. Das mögliche vermeintliche neu-erleben einer solchen Erfahrung löst Angst, Fluchtreaktionen, Panik oder starkes Unwohlempfinden aus.
- Im Gegensatz dazu beschreibt Glimmer Erfahrungen und Erlebnisse die als Freude, Leichtigkeit, Sicherheit und (inneres) Glück empfunden werden. Diese Erinnerungen lösen ein Wohlfühl-Gefühl aus, beruhigen und stimmen positiv.
Zur Stärkung der – nicht nur emotionalen – Gesundheit, Glimmer-Botschaften werden über die Nervenbahnen im ganzen Körper verteilt, scheint es also sehr wünschenswert, sich möglichst viele als positiv empfundene Erfahrungen bewusst und in einem nächsten Schritt auf weitere zu erlebende Situationen übertragbar zu machen und damit in sich zu verankern und zu verstärken.
Die eigenen Gefühle anstatt in einen Angriffs- oder Verteidigungsmodus entspannt in Ruhe und (Selbst)Sicherheit begleiten und diese Erfahrung verinnerlichen.
Glimmer sind Lichtblitze im Alltag – bewusst das Schöne wahrnehmen.
Glimmer ist individuell: der Hund, den man sich lange gewünscht hat, fünf Kugeln Eiscreme, ein Lieblingssong, die Schneeglöckchen im Wald, Gerüche, die an die Kindheit erinnern.
Glimmer macht spontan glücklich.
Meine Ausgestaltung von Glimmer definiere ich.
Glimmer bedeutet im Moment zu sein, den Moment zu erleben.
Ich habe eine Übung dazu gefunden, die 5-4-3-2-1-Technik: einen Moment innehalten und versuchen fünf Dinge zu zählen, die ich gerade sehe, vier Dinge zu nennen, die ich spüre, drei Dinge, die ich höre, zwei Dinge, die ich rieche sowie eine Sache, die ich schmecke.
In mich hineinspüren……….
Und jetzt geht es los. Das Neueste immer zuerst:
21. Oktober
Hallo lieber Juno-Sohn, es ist so schön, wie du mich ansprichst: Du, Isi…
An deinem Tonfall höre ich, wie du mich mit Respekt und auf Augenhöhe ansprichst, so wie zwei Erwachsene miteinander sprechen. Aber trotzdem ist in deiner Stimme immer noch etwas dabei, so eine Kleinigkeit von Mama oder Mamutschki. Und das ist einfach ganz wundervoll für mich. Und das möchte ich dir unbedingt noch sagen.
15. Oktober
Zum Sommer gehören Pommes auf die Hand. Pommes sind frittierte Sonnenstrahlen.
Der Herbst ist seit 25 Jahren, seit ich das eine perfekte Rezept von einer Freundin bekommen habe, Kürbissuppe mit roten Linsen, Kartoffeln und Möhren.
Oder die Gemüsesuppe, die Jo kocht.
Der Herbst ist mit den Fingerspitzen das Glück zu fühlen.
24. September
Nach dem Urlaub sitze ich bei der befreundeten Bäckerin im Laden und wir tauschen uns zu den Ereignissen der letzten drei Wochen aus.
Eine Kundin, die draußen an einem der Tische gesessen hat, kommt herein und möchte bezahlen.
Zu mir gewandt sagt sie: Sie sind ein sehr erfreulicher Anblick, es ist schön, Sie anzusehen.
Mein Herz schlägt sofort schneller. Was für ein warmherziges Kompliment von einer Fremden, die sich traut, dies zu sagen.
Ich lächle sie begeistert an und der Tag erscheint plötzlich noch etwas heller, freundlicher, wärmer, zugewandter.
Dankeschön!
Ich möchte mich ab jetzt auch trauen mir bekannten und unbekannten Menschen Komplimente zu machen, mich ihnen zuzuwenden.
11. September
Wir gleichzeitig Lebenden sind füreinander von geheimnisvoller Bedeutung.1
1 Petra Pellini: Der Bademeister ohne Himmel, Rowohlt Verlag 2025, S. 141.
5. September
Habe über mein bereits gelebtes Leben nachgedacht.
Und wie das meistens so ist auch über Verletzungen und Wunden, die geblieben sind. Habe dann entschieden, wunderschöne große Pflaster über die Wunden zu kleben. Damit ich sie nicht mehr sehe und damit sie darunter gut verheilen.
Ich brauche mich nicht mehr damit zu beschäftigen.
Dieser Gedanke gefällt mir sehr. Selbstfürsorge. Glimmer!
25. August
Mann – Sohn – Hund – Meer
Glimmer – Glimmer – Glimmer – Glimmer
14. August
Ich habe das Gedicht gefunden, von dem ich heute gesprochen habe. Als junge Frau hat es mich beeindruckt und darin unterstützt, meine Lebensangst ein bisschen einzugrenzen:
Angst vor dem Tod?
Da werde ich – vielleicht – eines Tages
80 oder 90 Jahre alt sein,
und habe mein ganzes Leben nichts weiter getan,
als Angst davor zu haben,
frühzeitig zu sterben.
© Kristiane Allert-Wybranietz (1955 – 2017), deutsche Dichterin und Lyrikerin
9. August
Ich bin erfahrungsbegabt!!!
25. Juli
Die versunkene Perspektive der Extreme.
Ich wache mit diesem Satz auf und bin stolz auf mich!
Weil ich ihn fühlen kann!
20. Juli
Ich habe inneren Spaß, schreibe nach dem gestrigen Fußballspiel Deutschland – Dänemark an einen Freund:
Für zwei Dinge müssen wir heute verbleibende mentale Kräfte einsetzen:
– Rücknahme der „Perversion der Regeln“ im europäischen Fußball
– Kandidaturverzicht von Biden für die nächsten Präsidentschaftswahlen
Da ahne ich noch nicht, dass sich der Wunsch nach dem Rücktritt von Beiden und der Benennung von Kamala Harris alsbald erfüllen werden.
Auch wenn die USA und die Wahlen so weit weg von mir erscheinen, erfüllt es mich mit Freude und lässt mein Hoffnungsherz tanzen.
15. Juli
IsiK im Chat der Tippgemeinschaft nach der Europameisterschaft im Männerfußball: “Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ANDERSSEINS als das GEWÖHNLICHE LEBEN.“[1]
[1] Huizinga: 1938/1991, S.37.
29. Mai
Ich bin unsicher gewesen, ob ich das neue bunte Kleid anziehen kann, oder ob es zu auffällig ist. Ich finde es wunderschön, aber wie ist die Außenwirkung?
Und keine zehn Minuten später im Wald kommt mir eine Frau entgegen, sieht mich an und sagt: „Was für ein wunderschönes Kleid, das muss ich Ihnen jetzt einfach mal sagen! Mit diesen Farben und dem Muster und den pinken Turnschuhen dazu. Ganz wunderbar!“
22. Mai
Mir kommt eine Frau auf der Straße entgegen, ihren Rollator gekonnt vor sich herschiebend. Sie lächelt mich an und sagt: bleiben Sie gesund!
Mein Glimmer für heute!
17. Mai
Wir leben in einem Land, wo eine Patientin, ein Patient an der Anmeldung einer Arztpraxis 2x mehr Zeit (noch länger beim ersten Besuch mit dem Aufnahmeformular) und im Wartezimmer 5-9 x mehr Zeit verbringt als im Arztgespräch.
Wir leben in einem Land, wo die Wartezeit auf einen bewilligten Rentenbetrag durchaus sechs Monate betragen kann, kommt eine kleine Abänderung dazu (z.B. Ein Schwerbehindertenausweis) muss der komplette Antrag neu bearbeitet werden (sagt die genervte Sachbearbeiterin auf eine dritte telefonische Nachfrage – nachdem man 20 Minuten in der Warteschleife gewartet hat) und eine Bewilligung rückt in weite Ferne.
Wenn ich damit beginne mir auszurechnen, wie viel Lebenszeit mir verloren geht mit dem Ausfüllen von Anträgen und dem Warten auf eine Bewilligung – ich habe ja schon Glück, wenn die Kommunikation online und nicht über Fax stattfindet – bin ich heftig angetriggert.
Dann fällt es mir manchmal schwer die hohen Standards unserer sozialen und medizinischen Versorgung wertzuschätzen.
Ich fühle mich als Mensch nicht wertgeschätzt, teilweise sogar Zufälligkeiten und Befindlichkeitsentscheidungen einzelner Zuständiger ausgesetzt, ohne eine Möglichkeit, mich zu wehren.
Ich möchte jetzt auch gar nicht auf die insgesamt gute soziale und medizinische Versorgung in unserem Land eingehen.
Ich möchte bei meinem Thema bleiben: der fehlenden Wertschätzung von Menschen im bürokratischen Dschungel, dem Ausleben von vermeintlicher Macht, indem man mit Vorschriften und Formularen argumentiert.
„Heimat ist ein Raum aus Zeit“ habe ich gelesen. Passt!
15. Mai
Didaktische Lüge, sagt Paul. Habe es gegoogelt, gibt es gar nicht 😉
12. Mai
Glimmerarlarm!!!
Ich habe eine Notiz von mir aus den 90er Jahren gefunden:
Kitsch ist der Klecks zu viel, der Moment nach der Romantik. Kitsch ist der ungehörte Schrei nach Stille. Ich bin ganz glücklich und berührt, als ich das lese, verstehe, fühle.
Mich fühle.
7. Mai
Viele Schritte in Gedanken gelaufen. In der Realität war ich dazu heute – trotz hohem Anspruch – zu faul. Tröste mich aber mit meinem Gedanken-Halbmarathon.
3. Mai
Ich sitze auf dem Balkon und beobachte ein kleines Stechinsekt, welches in regelmäßigen Abständen angeflogen kommt und sich kopfüber in die Wasserschale beugt um zu trinken, wegzufliegen, nach wenigen Minuten zurückzukehren und wieder zu trinken. Konzentriert und anmutig. Eine Vorahnung vom kommenden Sommer. Wunderbar.
25. April
Auf der Straße den Schornsteinfeger getroffen. Sich gegenseitig einen schönen Tag gewünscht!
23. April
Freutag: Sabin treffen.
Zum dritten Mal versuche ich es mir in meinem Online-Kalender zu notieren.
Wieder tippe ich „Freutag: Sabin treffen“. Und dann kapiere ich es endlich auch.
Ich freue mich total, am Freitag Sabin nach langer Zeit mal wieder zu treffen. Also: am Freitag ist Freutag! Ich treffe Sabin.
Glimmer!
1 Herr G. hat Angst; Thorsten Glotzmann, Berlin Verlag, 2024.
2 Vgl. Juliane Reichert: Berliner Autor über Ängste, Tagesspiegel online, 26.03.2024
18. April
Glimmer ist auch, wenn ich ein ganz besonderes Buch lese. Ich finde, das passiert leider viel zu selten, weil die übertriebenen Kurzbeschreibungen zu einem Buch den tatsächlichen Inhalt oft fade und langweilig oder tausend mal gelesen erscheinen lassen.
Aber ich habe drei Bücher und Artikel aus diesem Jahr, die mich berührt haben. Die mich erreicht haben und die in einzelnen Aspekten sofortige Auswirkungen auf meinen Alltag und mein Leben haben. Positive Auswirkungen.
Mir geht es gut, wenn nicht heute, dann morgen von Dirk Stermann – Erika Freeman: der Roman eines Jahrhundertlebens.
Und genau das ist es auch. Wunderbare Gespräche. Und wie gerne rufe ich erleichtert: Masel tov! Glück gehabt! Viel Glück!
Und dann gibt es den Artikel von Chrissi Lopinski: Ich seh dich nicht im Himmel. Ein Brief an ihren Vater, der sich das Leben genommen hat. Erschienen in der Süddeutschen Zeitung, für die sie arbeitet. Chrissi hat während ihres Studiums zeitweise in unserer Wohnung gewohnt, als wir noch in Bonn gelebt und zumindest ich mich nachdrücklich nach Berlin gesehnt habe.
Sie schreibt an ihren Vater und ich erkenne sie in jedem Satz so, wie sie ist: emotional, nicht verletzend, nicht entblößend, ohne Schuldzuweisungen. Feststellend und fragend.
Zuletzt habe ich von Katrin Seyfert ein Buch über die Lebenszeit mit ihrem an Alzheimer erkrankten Mann gelesen: Lückenleben. Ehrlich, authentisch, solidarisch. Und mit der unmissverständlichen Aufforderung das eigene Leben zu leben. Zu gestalten, mutig zu sein, Grenzen zu überschreiten und Grenzen zu setzen. Wunderbar!
11. April
Ich habe einen Wunschbaum. Einen ungefähr 45cm hohen aus Bast geflochtenen Kegel. Vor Jahren habe ich ihn als Adventskalender benutzt und ihn mit 24 Tütchen und diversen Weihnachtsschmuck und Lichterketten geschmückt.
Nach Weihnachten habe ich überlegt, wofür ich ihn nutzen kann. Und seitdem schreibe ich regelmäßig Wünsche auf Zettel, in die ich vorher Muster geschnitten habe, und hefte sie an meinen Wunschbaum. Am Anfang hing da so einzelnes Zettelchen und dann noch eins und noch eins. Und inzwischen musss ich bei einem neuen Wunsch schon nach einer neuen Stelle suchen, wo ich ihn anbringen kann. Wenn ich den Wunschbaum anschaue und in die Hand nehme, raschelt er ganz wunderbar. Und dann lese ich, was ich mir schon gewünscht habe und freue mich, dass der Wunsch in Erfüllung gegangen ist. Irgendwie gehen im Rückblick offensichtlich immer alle Wünsche irgendwie in Erfüllung. Hängt vielleicht damit zusammen, dass ich mir vorher überlege, ob der Wunsch überhaupt erfüllbar ist. Ob ich mir das wünschen darf. Aber es sind immer Herzenswünsche. Wichtig für mich.
Und es ist wundervoll, jetzt so durch die Zettel zu streichen, zu lesen, wann ich sie geschrieben habe und mich an der folgenden Wunsch-Erfüllungs-Entwicklung zu freuen.
9. April
Der Gegenspieler von Glimmer heißt Trigger.
Trigger beschreibt die Angst, unsere Angst.
„Wenn in allen Dingen ein Riss ist, durch den das Licht scheinen kann, wie Leonhard Cohen einst gesungen hat, musste man dann nicht aufpassen, dass nicht noch anderes mit hindurch kroch durch diesen Riss. […] So wie ein Sonnenstrahl eine kleine Lücke in der Jalousie dazu nutzen konnte, Licht in ein Zimmer zu streuen, so suchte sich auch die Angst Lücken im mentalen Abwehrmechanismus eines Menschen“, leitet Glotzmann sein Buch „Herr G. hat Angst“1 ein.
Die Angst ist unser Schatten, Angst ist subjektiv und individuell. Angst ist nicht greifbar, sie lähmt uns, lässt uns sprach- und hilflos werden.
Eine maßgebliche Rolle in dieser Angst spielt dabei laut Glotzmann unser „innerer Kritiker“ – die personifizierte Angst. „Die mentalen Strategien, die beispielsweise der Psychologe Steven Hayes vorschlägt, haben mir sehr dabei geholfen, mich von meinem Kritiker zu lösen, ihn von außen zu beobachten, indem ich ihm freundschaftlich, aber bestimmt gegenübertrete und ihm einen Namen gebe: Ben. Indem ich mich immer wieder daran erinnere: ,Das sind nur Gedanken. Ich muss nicht alles glauben, was ich denke und was Ben mir so erzählt.’ So kann ich Bens Bedenken zur Kenntnis nehmen, ohne gleich in Panik zu verfallen.“
Angst, so Glotzmanns Ansatz, ist dabei jedoch gar nicht so schlecht wie ihr Ruf. Sie hilft dabei, uns wach zu rütteln und auf etwas aufmerksam zu machen: „Zum Beispiel auf einen Wert, den wir vernachlässigt haben; darauf, dass wir irgendwo gegensteuern müssen, auch gesellschaftlich – insbesondere bei echten Bedrohungen wie der Klimakrise.“ Er sagt, er schätze die „Angst als sanften Wecker, solange daraus keine schrille Alarmanlage wird, die bei jeder Gelegenheit losheult und sich nicht mehr abstellen lässt.“2
Ich nenne meine Angst Martina. Es ist mir wichtig mich für einen Namen zu entscheiden, den ich ganz schön finde. Damit ich die Angst liebevoller betrachten und sie damit schon mal direkt entkräften kann.
Mal sehen, wann Martina nach mir fasst und ob es klappt, oder ob ich in eine Panikattacke rutsche.
3. April
Nabhani hatte ein meet and greet mit Hilde und Hedda, seinen beiden Ridgeback-Freundinnen. Er hat vom grünen langen Gras gefressen, von der dunklen durchnässten Walderde und hat sich dann auf dem Waldweg minutenlang von einer Seite auf die andere gewälzt. Zuhause gab es Futter und seitdem ist von ihm nix zu hören und zu sehen.
Hunde-Glimmer.
[1] Yourlogicalfallacys.com, vom 24.04.2024.
27. März
Die Magie der weißen Fäden
Ich bin nicht abergläubisch – fast nicht abergläubisch. Es wäre aber verrückt, nicht an die Magie der weißen Fäden zu glauben.
Weiße Fäden bringen Glück. Deshalb sammle ich sie auf, wenn ich sie auf dem Teppich oder dem Sofa finde – „Oh, wie schön, ein weißer Faden! Das bringt Glück!“ – und stecke sie mir in die Hosentasche oder den Ausschnitt vom T-Shirt.
Weiße Fäden bringen Glimmer in den Alltag und bestimmt habe ich heute das Glück auf dem Balkon etwas vorfrühlingshafte Sonne zu erwischen. Oder meine lange geplante Aufräumaktion auf meinem Schreibtisch ist gar nicht so anstrengend wie ich befürchte.
Vielleicht passiert auch gar nichts, aber wenn ich abends das Shirt ausziehe und der weiße Faden herausfällt, freue ich mich wieder an ihm.
Schwarze Fäden bringen in meinem Leichtglauben allerdings auch Unglück. Deshalb sammle ich sie ebenfalls auf – verstohlen und möglichst unbemerkt – und versenke sie in der Toilette.
Unbehagen und Unglück abgewendet.
Manchmal kann mein Alltag so einfach sein!
23. März
Klima in der Großstadt: der Fuchs am Straßenrand auf der Koenigsallee, der achtsam stehen bleibt und nach rechts und links schaut, bevor er die Straße überquert.
21. März
Paul in der Diskussion mit mir: „Das ist ein anekdotisches Argument“
Ich bin gleichzeitig begeistert und verunsichert.
Gibt es diesen Begriff?
Paul sieht meinen fragenden Blick: „Unterstufe Gymnasium. Müsstest du eigentlich wissen.“
Er grinst. Ich auch.
Als er zur Uni gestartet ist, schaue ich sicherheitshalber nach: Aha, eine persönliche Erfahrung oder ein einzelnes Beispiel anstelle eines soliden Arguments oder eines überzeugenden Beweises verwenden.[1]
Jetzt freue ich mich noch einmal mehr an diesem wunderbaren Begriff. Weil er genau auf mich in meiner Art überschwänglich zu diskutieren zutrifft und mein Verhältnis zu Statistiken ausdrückt. Und weil mein Sohn so eine Blitzbirne ist.
Mein Glimmer-Moment heute. Treffer versenkt.
16. März
Oh je! Glimmer gibt es auch in den Naturwissenschaften
Glimmergruppe: Als Glimmergruppe, kurz Glimmer oder Mica, bezeichnet man eine Gruppe von Mineralien aus der Abteilung der Schichtsilikate mit dem gleichen atomaren Aufbau.
Umgangssprachlich werden sie als Katzensilber bezeichnet: hält nicht, was es verspricht.
Hervortretendes Merkmal der Glimmer ist ihre Schichtstruktur und die sehr schwache Bindung zwischen den Schichten. Daraus folgt die für diese Minerale charakteristische perfekte Spaltbarkeit parallel zu diesen Schichtpaketen.
Glimmer gehören zu den häufigsten gesteinsbildenden Mineralien und sind wichtige Bestandteile vieler magmatischer Gesteine.
Auch andere blättrig oder schuppig brechende Mineralien, die nicht zur Glimmergruppe gehören, werden als Glimmer bezeichnet, so etwa Eisenglimmer.
Glimmer:
Es gibt echte Glimmer, Sprödglimmer und defizitäre Glimmer.
Wie im echten Leben.
Ich bin begeistert!
15. März
Kann es von Vorteil sein, sich einen Virus einzufangen?
Ja! Jo hat mich davon überzeugt. Er ist der freundlichste Autofahrer, den ich kenne. Ich bin sicher, dass er mit seiner Rücksicht und Vorsicht andere Verkehrsteilnehmer dazu anregt, es ihm gleichzutun.
Ich sage immer, dass er damit einen Virus verteilt und sich diese Menschen in anderen Verkehrssituationen als Auto- oder Fahrradfahrer und als Fussgänger auch freundlicher und respektvoller verhalten werden.
Gestern war aber für ihn fast eine Grenze erreicht: eine Joggerin war ohne zu schauen auf die Fahrbahn gelaufen, wollte die Straße überqueren. Jo hat natürlich sofort abgebremst und ihr mit Handzeichen angezeigt, dass sie über die Straße könnte.
Sie wollte nicht mehr! Sie hat es nicht geglaubt. Sie ist stehengeblieben und wollte ihn vorbeiwinken.
Nicht mit Jo.
Er hat seine Handzeichen freundlich lächelnd wiederholt.
Die Joggerin hat verneinend mit dem Kopf geschüttelt, stand aber noch am Straßenrand.
Jo hat gewartet.
Zögernd ist sie dann doch – nachdem sie auch zur anderen Straßenseite geschaut hat – losgelaufen.
Und hat dann vom gegenüberliegenden Bürgersteig aus ein „Dankeschön“ gerufen.
Zufrieden ist Jo losgefahren und ich habe zwei Unterwegs-Bonbons ausgepackt.
12. März
Weil mir das Vogelgezwitscher morgens auf meiner Runde mit Nabhani nicht mehr reicht und ich den Frühling kaum erwarten kann, lege ich mich mit einer Tasse Kaffee ins Bett und lasse für uns alle Vogelgezwitscher von YouTube laufen. Wunderbar.
Und: Gerda ist zurück!!!
Gerda ist eine Ente und bei einer Freundin im letzten Jahr in der ersten Etage auf dem Balkon gelandet, hat ein Nest gebaut, Eier gelegt und ihre Jungen großgezogen.
Als sie dann flügge wurden, hat meine Freundin ihr geholfen, damit die kleinen Enten unbeschadet aus der ersten Etage zum nahen See kamen.
Natürlich hat sie sich gefragt: kommt Gerda dieses Jahr wieder?
Natürlich kam Gerda wieder. Und sie hat sich bis zum Nest von einem Erpel begleiten lassen, den sie dann verabschiedet hat.
Jetzt sitzt sie wieder geschützt in der ersten Etage im Balkonkasten und brütet unter den wachsamen Augen meiner Freundin.
26. Februar
Können Krähen Yoga?
Sie ist wieder da! Meine Balkon-Krähe.
Über den ganzen Winter habe ich das Eis in der Wasserschale auf dem Balkon aufgebrochen, damit die Krähe und auch die anderen Vögel die Möglichkeit haben einen Schluck zu trinken. Ab und zu ist eine Taube dagewesen.
Aber jetzt ist sie wieder da. Die Krähe, die mich seit Jahren begleitet. Und wie üblich hat sie wieder ein Stück Brot im Schnabel, das sie ins Wasser taucht und dann genüsslich verspeist. Wenn es wärmer wird, wird sie anschließend ein Bad in der Schale nehmen und sich dann auf dem Balkongeländer das Federkleid putzen und ihr Revier betrachten.
Aber noch ist es zu kalt für ein Bad.
Ich freue mich sie zu beobachten und bewege mich vorsichtig auf dem Sofa, damit sie nicht erschreckt und losfliegt.
Vermutlich hat sie mich längst gesehen und denkt: ach, da ist sie ja wieder, so wie in den letzten Jahren auch. Sie beobachtet mich, ist aber ansonsten harmlos.
23. Februar
Paul sagt, man darf das Schöne nicht aus dem Blick verlieren!
Wir sitzen beim gemeinsamen Mittagessen und natürlich sind die Konflikte und Auseinandersetzungen bei uns im Land und in der Welt drumherum Gesprächsthema. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die menschliche Tragödie im Gaza-Streifen. Die Stimmung ist gedrückt.
Paul holt tief Luft: „Wir dürfen das Schöne, Stabile und Gute nicht aus dem Blick verlieren!“
Ich merke sofort, wie sein Satz bei mir ankommt. Gefühlt ungeschützt erreichen mich jeden Tag und zu jeder Stunde Nachrichten über Greueltaten, Klimakatastrophen, politische Fehlentscheidungen mit weitreichenden Auswirkungen.
Ich lebe in Sicherheit. Ich darf mich darüber freuen und fühle mich aufgefordert das Schöne, Stabile und Sichere in meinem Leben wahr- und anzunehmen. Und in der Verantwortung über Gemeinschaft und Vernetzung von dieser Sicherheit weiterzugeben. Mich nicht in die Ecke zu stellen und mit den Schultern zu zucken, sondern im Raum zu stehen und berührbar zu sein.
Es ist dumm zu sagen, dass ein einzelner Mensch nichts verändern kann. Ich weiß, dass ich schon positive Veränderungen im Leben von Menschen bewirkt habe, die mich gar nicht kennen. Gerade habe ich mit meinem Projekt GRAZIA wieder zwei Alleinerziehende und ihre Kinder mit Spendern vernetzt, die sie für die nächsten sechs Monate finanziell unterstützen.
Ich brauche nicht Hoffnungslosigkeiten zu diskutieren, ich kann in jeder Sekunde entscheiden aktiv zu werden.
Ich atme tief ein und freue mich – auch, weil mein Hund Nabhani gerade angeschlendert kommt und mir einmal quer durch mein Gesicht leckt.
21. Februar
Ich habe für mich entschieden: Frösche können Handstand. Sogar Ein-Hand-Stand. Und Radschlag. Und Überschlag. Und Salto.
Frösche sind sozusagen die Akrobaten unter den Amphibien. Zeichnen sich durch Sprungkraft, Wagemut, zuweilen Übermut und ein wahrgenommenes ständiges Grinsen aus. Der Frosch ist ein Optimist.
Und meine Freundin Silvy sagt, sie sähe auf jeden Fall wie ein Frosch aus, wenn sie Handstand macht.
16. Februar
Ich kann KI 😉
Meine Recherche zu Glimmer bringt mir immer wieder Querverweise, die ich interessant weiterverfolge.
Es gibt ja so viel zu erfahren…….
Und dann stoße ich auf WOOP-Methode und wie von Zauberhand öffnet sich rechts auf dem PC ein Fenster und bietet mir weitere Informationen an.
Soll ich?
Na klar, nicht immer so viel Zaudern im Umgang mit der Technik.
Und schon klicke ich auf die Schaltfläche.
„Die WOOP-Methode (auch “WOOP-Strategie”) ist eine systematische Technik, um selbstgesteckte Ziele besser zu erreichen. Sie basiert im Wesentlichen auf vier einfachen Schritten:
- Wunsch (Wish): Am Anfang steht der Herzenswunsch, den Sie umsetzen möchten.
- Ergebnis (Outcome): Sie visualisieren das positive Ergebnis, das Sie durch die Umsetzung des Wunsches erreichen werden.
- Hindernis (Obstacle): Sie identifizieren mögliche innere Hindernisse, die Sie daran hindern könnten, Ihr Ziel zu erreichen.
- Plan (Plan): Schließlich entwickeln Sie einen konkreten Plan, wie Sie diese Hindernisse überwinden und Ihr Ziel erreichen können.“
Finde ich gut! Finde ich auch gut, dass ich mal meine sicheren Pfade verlasse und Neues am PC probiere. Mir ist schon klar, dass es nur ein Mini-Schritt ist, aber ich finde es schön und es hat Spaß gemacht. Es erinnert mich an eine mutigere Wesensseite in mir. An Aufbruch.
15. Februar
Denken müssen wir ja sowieso. Warum dann nicht gleich positiv? Albert Einstein
7. Februar
Meine beste und älteste Freundin hat geschrieben:
Liebe Sigrid, wie geht es dir? Seid ihr unterwegs oder zu Hause? Hier hat es den ganzen Tag geregnet, aber wir haben uns dennoch hinaus gewagt und einen Regenspaziergang im Kottenforst gemacht!☔️.
Ich warte sehnsüchtig auf deine neuen Veröffentlichungen zum Thema „Glimmer“! Fang ruhig an, ich habe immer Freude an deinen Schreibarbeiten. Jetzt wünsche ich dir noch einen schönen Abend 🙋♀️ und drücke dich mal ganz feste ♥️
Natürlich habe ich sofort geantwortet:
Liebe Mechthild, der Drücker ist angekommen und wird natürlich sofort auch zurück geschickt ❤️.
So schön, dass wir jetzt auf diesem Weg öfter voneinander hören 🤩.
Wir starten am Wochenende nach Binz und leider habe ich noch nix zum Glimmer geschrieben, weil ich die ganze Woche aufgeräumt habe 😌. Ich fange jetzt aber ganz bald an und schicke dir exklusiv alles, was ich schreibe.
Eigentlich ist es auch Glimmer, dass ich so richtig ausgemistet habe. Alles, was sich so angesammelt hatte an teilweise anstrengenden Schreibereien, Traumbeschreibungen (Albtraum), aber auch Jobkram. Brauche ich niemals wieder. Ich habe so den Wunsch, meinen Alltag bewusst zu erleben. Eben ist Judith da gewesen, meine Luxus Physiotherapeutin, mit der ich befreundet bin und die unter uns wohnt. Ich hab ja noch ne Verordnung wegen dem Knie. Das ist aber supi und deshalb hat sie mir Übungen gezeigt, die ich jeden Morgen für 10 Minuten für den ganzen Körper machen kann 🤩. Ist ja schon wieder Glimmer……… und dann fällt mir jetzt auch noch ein, dass die Berliner Vögel morgens, wenn ich mit Nabhani um 6:30 Uhr unterwegs bin, immer schon aus voller Kehle trällern.
Und jetzt esse ich meine Porridge Schüssel, die Jo für mich fertig gemacht hat. Glimmer – Glimmer – Glimmer!
Und du? Alles gut bei dir und bei euch? Vielleicht schon Krokus-Spitzen im Garten?
Knutsch
Sigrid
Und da ist es, dieses wunderbare Gefühl ewiger Vertrautheit. Die Verbindung aus der Studienzeit bis heute und die Gewissheit des Miteinander, der Akzeptanz, des gegenseitigen Verständnisses und der tiefen Zuneigung. Es trägt mich.
5. Februar
Ich schreibe jetzt also ein Tagebuch über Glimmer in meinem Leben. Jedenfalls versuche ich es.
Versuche, das alltägliche Glück, die Glücksmomente aktiv wahrzunehmen, meinen Alltag bewusster und intensiver an schönen Momenten und Ereignissen zu orientieren.
Mal sehen, ob ich mit der Zeit bewusster und intensiver schöne Momente und Ereignisse erlebe, meine Wahrnehmung sich jeden Tag auf die Spurensuche begibt.
Glimmer-Trüffel sozusagen.
Heute ist es der link einer Freundin gewesen, der mir schon zu Tagesbeginn ein breites Lächeln ins Gesicht gezaubert hat.
youtube: Pat&Stanley – the lion sleeps tonight
Wer möchte, kann ja………